Anlässlich der heutigen Verhandlung heute vor dem EGMR in Sachen S.A.S. v. Frankreich will ich es dabei belassen, auf meinen Wutanfall vor einem knappen Jahr zum Thema Burka-Verbot zu verlinken. Ich will verhüllt auf die Straße gehen können, hatte ich damals geschrieben, und das will ich heute noch.
Ich halte das französische und belgische Burka-Verbot für ein ausgesprochen gefährliches und niederträchtiges Stück Gesetzgebung, und das nicht nur wegen seiner drangsalierenden, diskriminierenden und marginalisierenden Folgen für die ohnehin schon mehr als genug drangsalierten, diskriminierten und marginalisierten Salafisten-Ehefrauen, sondern als Ausdruck eines Gesellschaftsbilds oppressiver Transparenz, das mir Angst macht.
Ich hoffe nur, dass sich der EGMR nicht allzu ausschließlich auf die Irgendwie-muss-man-ja-religiöse-Vielfalt-managen-Schiene ziehen lässt und den Fall wie weiland Leyla Şahin in einem großen Topf voller margin of appreciation ertränkt.
Die Fragen von der Richterbank heute waren spärlich, aber diejenigen, die es gab, schienen mir durchaus Anlass zum Optimismus zu geben. Ausgerechnet der französische Richter André Potocki erkundigte sich nachdrücklich, ob das Burka-Verbot als Maßnahme der öffentlichen Sicherheit verhältnismäßig sei, ob es die Gleichheit der Frau verbessern könne, dieselbe an der Ausübung eines Rechts zu hindern, und ob man die Menschenwürde als Rechtfertigung ins Feld führen könne, wenn die betroffene Frau sich dadurch in ihrer Würde eher verletzt als befördert sieht. Auch der norwegische Richter Erik Møse fragte, inwieweit es dem sozialen Zusammenhalt zuträglich sein könne, muslimische Frauen Polizeikontrollen zu unterziehen.
Dem hatten die Vertreterinnen Frankreichs und Belgiens wenig entgegenzusetzen als ihr Gesäusel vom “Vivre ensemble” und ihre erschreckende Vision, dass Offenheit, Toleranz und Menschenwürde von uns allen verlangen, uns jederzeit identifizierbar zu halten.
Aber die Große Kammer besteht aus 17 Richterinnen und Richtern. Und wie die denken, weiß ich jedenfalls nicht zu prognostizieren.
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